Eras­mus+

Würde Eras­mus von Rot­ter­dam heute noch leben, hätte er garantiert gute Chan­cen auf dem Ar­beits­markt : gebildet, be­le­sen, neugierig und vor allem : viel Aus­land­ser­fahrung. Eras­mus von Rot­ter­dam, ein­er der bekan­ntesten Hu­man­is­ten sein­er Zeit, blick­te schon vor 500 Jahren gerne über den sprich­wörtlichen Teller­rand, reiste in fremde Län­der, um sich weit­erzu­bilden und mit Men­schen aus aller Welt in Kon­takt zu treten. Sehr passend al­so, dass er der Na­mensge­ber für eines der bekan­ntesten EU-Bil­dung­spro­gramme ist : Eras­mus+, das EU-Pro­gramm zur Förderung von all­ge­mein­er und beru­flich­er Bil­dung, Ju­gend und Sport in Eu­ropa. Mit einem Bud­get von 14,7 Mil­liar­den Eu­ro bis 2020 er­möglicht das Pro­gramm Mil­lio­nen von Eu­ropäerin­nen und Eu­ropäern, sich im Aus­land weit­erzu­bilden und Beruf­ser­fahrung zu sam­meln. Wie Schüler und Lehrer davon prof­i­tieren, zeigt das Beru­fliche Schulzen­trum Re­gens­burg­er Land.

Wenn Beat­rice Roth von ihrem Aufen­thalt in Nor­we­gen erzählt, gerät sie ins Schwär­men : „Die Men­schen waren dort so of­fen, so her­zlich, die haben mich aufgenom­men wie eine Fam­i­lie!“ Sechs Wochen hat die 17-Jährige in einem Hos­tel im nor­wegis­chen Oslo ver­bracht – aber nicht als Urlauberin, son­dern als Prak­tikan­tin. Beat­rice macht eine Aus­bil­dung zur Hauswirtschaf­terin am Beru­flichen Schulzen­trum Re­gens­burg­er Land (BSZ). In Oslo kon­nte sie Er­fahrung in der Hos­tel-Küche sam­meln, die sie nicht mis­sen will : „Ich hab wahnsin­nig viel gel­ernt, bin stärk­er und selb­st­be­wusster geworden.“

Jed­er zweite Beruf­ss­chüler geht ins Ausland

Möglich war das Prak­tikum in Nor­we­gen dank des Förder­pro­gramms Eras­mus+, das auch Aus­land­saufen­thalte für Beruf­ss­chüler un­ter­stützt. Am BSZ Re­gens­burg nutzen beson­ders viele Schüler diese Möglichkeit : Fast jed­er zweite Schüler ein­er Beruf­ss­chulk­lasse ver­bringt während der Aus­bil­dung mehrere Wochen im eu­ropäis­chen Aus­land. „Vor elf Jahren haben wir mit einem kleinen Bud­get von 50.000 Eu­ro ange­fan­gen, heute kön­nen wir mit mehr als 380.000 Eu­ro rund 120 Schüler pro Jahr ins Aus­land schick­en“, erk­lärt Sabine Sieden­top. Gemein­sam mit ihrer Kol­le­gin Sibylle Rößler ko­or­diniert und or­gan­isiert sie die Aus­land­saufen­thalte. Zurzeit bi­etet das BSZ Aufen­thalte in Nor­we­gen, Ir­land, Griechen­land und Öster­re­ich an. „Die jun­gen Leute prof­i­tieren enorm von den Aus­land­sprak­ti­ka“, sagt Rößler. „Viele be­wer­ben sich ganz gezielt an un­ser­er Schule, weil sie wis­sen, dass wir Aus­land­saufen­thalte möglich machen.“

Kosten­frei dank En­gage­ment der Lehrer

Viele wis­sen nicht, dass das Förder­pro­gramm Eras­mus+ sich längst nicht nur an Akademik­er richtet. Und : Viele scheuen die ho­hen Kosten. Am BSZ Re­gens­burg entste­hen für die Schüler keine Kosten, der Aus­land­saufen­thalt wird kom­plett über das Eras­mus-Bud­get fi­nanziert. Möglich ist das nur, weil Lehrkräfte wie Sabine Sieden­top und Sibylle Rößler viel Zeit, En­gage­ment und Herzblut in das Pro­jekt steck­en : Anträge schreiben, Kon­tak­te zu Ein­rich­tun­gen knüpfen, Gast­fam­i­lien oder an­dere Un­terkün­fte find­en, Aus­flüge vor Ort or­gan­isieren – um alles küm­mern sich die Lehrkräfte allein und zusät­zlich zu ihrer nor­malen Lehrtätigkeit. „In­zwis­chen gibt es etliche Di­en­stleis­ter, die Aus­land­saufen­thalte von A bis Z or­gan­isieren, aber das ist natür­lich wahnsin­nig teuer“, erk­lärt Sabine Sieden­top. Zu teuer für die meis­ten Schüler, die dann auf das Aben­teuer Aus­land verzicht­en müssten.

Ideen aus dem Aus­land mitgebracht

Hi­cran Kun­dak­ci ist ange­hende Kinderpflegerin und war dank Sieden­tops En­gage­ment sog­ar schon zweimal im Aus­land – erst in Ir­land, dann in Nor­we­gen. „Am lieb­sten würd ich so­fort wieder hin­fliegen“, schwärmt die 25-Jährige. Nicht nur ihre En­glis­chken­nt­nisse haben sich durch die Aus­land­sprak­ti­ka verbessert, sie hat auch viele Ideen aus dem Aus­land mit nach Bay­ern ge­bracht, geht jet­zt zum Beispiel häu­figer mit ihren Kinder­gartenkindern in den Garten : „Sowohl in Ir­land als auch in Nor­we­gen sind die Kinder viel mehr draußen als bei uns, egal ob es kalt ist oder reg­net. In Deutsch­land lassen wir uns ein­fach viel zu oft vom schlecht­en Wet­ter abschrecken!“

Vom Aus­land gel­ernt hat auch Hauswirtschaf­terin Katha­ri­na Wankerl, die ein drei­monatiges Prak­tikum in einem In­ter­nat auf den nor­wegis­chen Lo­foten ab­solviert hat. Beson­ders beein­druckt war sie vom Gesund­heits­be­wusst­sein der Nor­weger : „Dort wird alles frisch gekocht, es gibt über­haupt keine Tiefkühlware und je­den Tag wird frisches Brot geback­en. Da hat das Es­sen gle­ich viel mehr Spaß gemacht.“ Ihr per­sön­lich­es High­light : „Sog­ar der Fisch kam im Ganzen und wir haben ihn zer­legt. Das mitzuer­leben, war ein­fach toll!“

Auch Lehrer sam­meln Auslandserfahrung

Über Eras­mus+ kön­nen aber nicht nur Schüler, son­dern auch Lehrer ins Aus­land gehen. Sibylle Rößler hat zum Beispiel ein Prak­tikum in ein­er Kinderpflege-Ein­rich­tung in Ir­land ab­solviert. Vieles laufe dort deut­lich chao­tis­ch­er ab als in Deutsch­land, aber auch das sei eine hil­fre­iche Er­fahrung : „Zurück in Deutsch­land weiß man un­sere geord­nete Struk­tur dann gle­ich viel mehr zu schätzen“, schmun­zelt sie. Sehr pos­i­tiv in Erin­nerung geblieben ist ihr die Her­zlichkeit der irischen Kinderpflegerin­nen : „Die drück­en und herzen die Kinder viel häu­figer. Et­was, das in Deutsch­land oft nicht so er­wün­scht ist, ist dort ganz nor­mal – ich fand das toll!“ Beat­rice, Hi­cran und Katha­ri­na sind überzeugt : Der Aus­land­saufen­thalt hat ih­nen viel ge­bracht – beru­flich und auch pri­vat. „Man nimmt die Sprache mit, die Kul­tur, die Ein­stel­lung der Men­schen – das ist ein­fach eine tolle Er­fahrung“, sagt Hi­cran und Katha­ri­na glaubt sog­ar, ein et­was an­der­er Men­sch gewor­den zu sein : „Ich habe mir et­was von der nor­wegis­chen Gelassen­heit abgeschaut und bin als viel ruhiger­er Men­sch zurück­gekom­men.“ Beat­rice will am lieb­sten gle­ich wieder los, das Aus­lands­fieber hat sie gepackt. Ein Aufen­thalt in Ir­land ist schon in Planung.

Ins Herz geschlossen — Liebevolle Ab­schieds­geschenke für Hi­cran Kun­dak­ci, die ein Prak­tikum in ein­er Kinderpflegeein­rich­tung in Ir­land absolvierte.


Quellen :